Friederike Hübner
Blog

Related Leadership: Echte Bezogenheit in der Führung

In einer Welt der Bezogenen Führung geht es nicht darum, alle glücklich zu machen. Es geht auch nicht allein darum, stets zu spüren, was das Team, der Mitarbeiter, der Kunde, der eigene Chef oder die Familie brauchen – zumindest nicht nur das.
Sensibilität mit anderen und für die eigenen Interessen einstehen – es geht um die Balance

Viele von uns haben in ihrer Kindheit gelernt, entweder ihre eigenen Bedürfnisse stark in den Mittelpunkt zu stellen oder sich ganz auf ihr Umfeld auszurichten und dessen Erwartungen zu erfüllen. Beide Haltungen prägen unser Fühlen und Handeln, und beide haben ihre Stärken – doch sie sind unvollständig und können uns einseitig machen.

Diejenigen, die gelernt haben, auf die eigenen Bedürfnisse zu achten, entwickeln eine kraftvolle Selbstbestimmtheit. Entscheidungen werden aus einer stabilen Position getroffen, doch häufig bleibt ein „Was bringt es mir?“ unbewusst die Grundfrage. Diese Stärke des klaren Fokus auf sich selbst kann zum ungewollten Manko werden, wenn das Gegenüber und dessen Bedürfnisse unsichtbar bleiben.

Umgekehrt haben Führungskräfte, die primär das Wohl anderer im Blick haben, oft ein bemerkenswertes Gespür für zwischenmenschliche Schwingungen und Dynamiken im Raum. Doch ihr Drang, alles „richtig“ zu machen, führt oft zu einem Zurücknehmen ihrer eigenen Position und des eigenen Willens – eine Selbstlosigkeit, die eine echte Verbindung verhindert, da die Zuwendung oft Schutzverhalten ist.

Beides ist einseitig!
Was ist “Bezogene Führung” und was braucht es, um sie zu erlernen?

Bezogene Führung bedeutet, mit Klarheit und Offenheit in Beziehung zu treten – mit mir selbst, mit meinem Team, mit meinem Kunden und mit der Aufgabe. Nur wenn beide Pole verbunden sind, kann echte Beziehung entstehen. Doch diese echte Bezogenheit kommt nicht von selbst, sondern entsteht aus einem inneren Prozess. Dafür müssen wir bereit sein, uns selbst – unsere eigenen Schutzhaltungen, blinden Flecke und tiefen Ängste – anzusehen und zu klären.

Wenn dieser Schritt getan ist, entsteht aus unserer Tiefe ein Zustand, in dem ich das Gegenüber spüren und gleichzeitig mit meiner Wahrheit in Beziehung sein kann. Related Leadership ist dann nicht mehr ein Versuch, es „allen recht zu machen“ oder sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen, sondern bedeutet, wirklich in Beziehung zu sein. In der Bezogenen Führung wird die Verbindung zu mir selbst ebenso wichtig wie das Verständnis für mein Umfeld. Ich kann meine Bedürfnisse und meine Werte wahrnehmen und vertreten und gleichzeitig spüren, was mein Gegenüber oder mein Team braucht – nicht als Anpassung, sondern als bewusstes Wahrnehmen und respektvolles Miteinander.

Diese Form der Führung setzt voraus, dass wir lernen, uns selbst und anderen in ihrer Tiefe zu begegnen, ohne Projektionen, ohne starre Rollen oder überkommene Erwartungen. Sie ist lebendig, weil sie aus einem fortlaufenden Prozess entsteht: Einer Verbindung, die jede Begegnung im Moment neu definiert und Raum für Klarheit, Kreativität und echte Kooperation lässt.

Related Leadership ist anspruchsvoll und ein lohnender Weg – weil echte Beziehung, die auf tiefer Klarheit und Wahrhaftigkeit beruht, nachhaltig stärkend wirkt und Vertrauen schafft. Diese Haltung ist nicht nur in der Führung wertvoll, sondern in allen Bereichen, in denen wir authentisch und kraftvoll wirken wollen.

Die goldene Mitte – so findest du zu ihr

In der Bezogenen Führung geht es um mehr als nur die Balance zwischen mir und meinem Gegenüber – es geht darum, das Wohl des größeren Ganzen in den Blick zu nehmen. Erst wenn beide Pole zusammenkommen – der Fokus auf mich und der Fokus auf andere – öffnet sich der Raum für eine übergeordnete Perspektive, in der ich bereit bin, im Zweifel auch mal Abstriche an meinem eigenen Bedürfnis und dem Bedürfnis des anderen zu machen.

Manchmal jedoch kann der Blick auf das Wohl des großen Ganzen einseitig werden und sich von der Realität der Menschen lösen. Manche Menschen, die sich nur auf das „große Ganze“ konzentrieren, verlieren das Bedürfnis der Menschen – und auch ihre eigenen – aus dem Auge. Ihr Blick auf das große Ganze wirkt dann wie losgelöst und abgehoben, sodass die Realität und das reale Leben vergessen scheinen. Echte Bezogenheit bleibt dabei aus, wenn das Miteinander nicht in die Führung eingebunden ist.

Dieses Gleichgewicht fehlt an vielen Orten in der Welt. Den wenigsten von uns ist es gegeben, gleichzeitig bei sich selbst zu sein und das Gegenüber wahrhaftig zu spüren. Ohne diesen inneren Gleichklang bleibt der Blick auf das Wohl des großen Ganzen oft verstellt. So entstehen nicht nur Machtkämpfe und Konkurrenzdenken, sondern es gehen auch wertvolle Impulse verloren. Menschen hören ihre eigenen Impulse nicht mehr klar oder trauen sich nicht, sie zum Ausdruck zu bringen. Besonders in Umgebungen, in denen einige durch kraftvolle Selbstbestimmtheit dominieren, fällt es vielen schwer, sich Gehör zu verschaffen und ihre Ideen einzubringen. So bleiben wertvolle Beiträge ungenutzt, und das Wohl des Ganzen gerät ins Hintertreffen.

Um hier einen Wandel zu bewirken, sollten wir uns dafür öffnen, eine Balance zwischen den beiden Polen in uns anzustreben: den Fokus auf mich und den auf andere. Eine Balance, die aus der Tiefe kommt und das Wesentliche – echte Beziehung und echtes Wirken – stärkt. Dann wird der Blick frei für einen balancierten Blick auf das Wohl des Ganzen!

Der Weg aus diesem Dilemma beginnt bei uns selbst: indem wir unsere eigenen „Hausaufgaben“ angehen, indem wir unsere Schutzschichten abbauen, unsere Ängste konfrontieren und uns für authentische, verbundene Beziehungen öffnen. Denn wenn wir nicht den Anfang machen, wer dann?

Wenn nicht wir, wer dann?